Peter Kubelka

Die essbare Metapher

Peter Kubelka ist ein österreichischer Weltbürger und Künstler, der das Kochen als die Mutter aller Künste in der vollen Brisanz dieser Idee versteht und praktiziert. Diese Brisanz ergibt sich aus der Weite seines Kunst- und Kulturverständnisses und überzeugte bereits 1980 in seiner Antrittsvorlesung die Studenten und Lehrenden der Städel-Schule in Frankfurt, an der er darauf als erster Künstler eine Klasse für "Film und Kochen als künstlerische Gattung" einrichtete.
Bei ihm hat Filmmontage mit Speisevorbereitung, aber auch Architektur mit Harmonielehre zu tun. Seine Vorträge sind spannend, weil sie das offene Denken mit dem dogmatischen zu vereinen wissen und außerdem von Kubelkas leibhaftigem Sprechen leben. 
Für ihn ist Kochen die Grundlage unserer Kultur und zugleich die der bildenden Kunst. Mit Ersterem würden die meisten mitgehen, mit Zweiterem oft nicht. Wer Kubelka zuhört, muss für die konsequente Weiterentwicklung künstlerischer Begriffe bereit sein. Kunst ist, seit ihrer Entstehung, für ihn ein Werkzeug, um die Welt zu verändern und in diesem Sinne kann er auch ein Avantgardist genannt werden. Dafür begibt er sich in eine sinnenfreudige und subtile Opposition zum kurzsichtigen Zeitgeist. 

Seine weltweit gehaltenen Vorträge scheinen mittlerweile legendär zu sein, aber die Sprengkraft seiner Aussagen weitgehend unbekannt, weil sie sich in kein spezialisiertes Fach einordnen lassen. So ist er nicht nur Koch und Künstler, sondern außerdem ein vergleichender Theoretiker, Kulturanthropologe, Musiker, Sammler, Reisender und scharfsinniger Beobachter der Esskultur, der durch seinen Weitblick den irritierenden Beweis erbringt, dass Kochen Kunst ist (Kunstforum). Er ist bis heute neugierig, mit anderen Möglichkeiten die Welt wahrzunehmen und Traditionen und Weltwahrnehmungen zu rekonstruieren. Dass er seit etwa 20 Jahren schon über das Essen und Kochen wie kein Zweiter spricht, hat mit seiner unbedingten und zugleich feinsinnigen Hinwendung zur unmittelbaren Praxis zu tun: "Wenn etwas abstrakt wird, gibt es einen ungeheuren Energieverlust."

Das Verständnis für den Vorgang des Kochens als Kunst reifte in der Zeit seines Erfolges als Filmemacher in den USA. Die erste Aufführung seiner Filme (Mosaik im Vertrauen, Adebar, Schwechater, Arnulf Rainer) 1966 in New York wird zum Erfolg und die Arbeiten der 50er Jahre werden zu einer Grundlage des amerikanischen Avantgardekinos der 60er und 70er  - und sind heutzutage Klassiker der Filmgeschichte. 

"Ich hielt in den USA Vorlesungen über den Film und wollte das Konzept bekämpfen, dass der Film nicht eigenständig sei. Da bin ich dann aufs Kochen gestoßen. Meine Großmutter war eine liebevolle Köchin, mein Urgroßvater war Wirt. Als Student habe ich für die Kollegen gekocht und dann in meinen Filmseminaren. Ich habe gespürt, dass man da etwas lernen kann. Die Speisenbereitung ist die Mutter unseres kulturellen Lebens."

In der Folge hält er Vorlesungen, Seminare und Filmvorführungen an mehr als 50 amerikanischen Hochschulen, wird Mitbegründer des Anthologie Film Archives, eröffnet das "Invisible Cinema" 1970 in New York und später in Wien, konzipiert 1976 die Sammlung der Avantgardefilme für das Centre Pompidou in Paris und wird 1977 als erster Theoretiker der Film-Avantgarde zu einem Vorlesungszyklus am Museum of Modern Art in New York eingeladen, um sieben Vorlesungen unter dem Titel "The Essence of Cinema" zu halten.


Avantgardekino


Peter Kubelkas metrischen Filme "Adebar" (1957), "Schwechater" (1958) und "Arnulf Rainer" (1960) betraten formales Neuland und sind mittlerweise Klassiker des Avantgardekinos. In diesen zumeist kurzen Filmen brach er mit der Ästhetik, dass Film Bewegung darstellt, und fügte stattdessen genau abgemessene Einheiten von  Standbildern und kurzen Bewegungen zu strengen metrischen Kompositionen zusammen.













Die überschießend körperliche Wirkung der „Speed-Verkettungen“ und das Knacken von Kontrasten und Sekundenmetaphern erreichten seinen extatischen Höhepunkt in „Arnulf Rainer“. Nur auf Licht, Dunkelheit, weißes Rauschen und Stille reduziert und mit dem Anspruch ein System zu schaffen, das ihm erlaubt vierundzwanzigmal pro Sekunde die Nacht in den Tag und den Tag in die Nacht zu verwandeln, erreicht dieser Film eine visuelle Energie, die seine Vorstellung vom Film als eigenständiges, materiell nicht in andere Medien übertragbares Phänomen am deutlichsten zeigt.

Sein bekanntester Film "Unsere Afrikareise" (1966), an dem er fünf Jahre arbeitete, vereint alle Entdeckungen der metrischen Werke und führt Elemente wie Menschen, Erzählungen, Gefühle und Bilder, die der natürlichen Welt entsprechen, zusammen. Die Dichte und Präzision der filmischen Artikulation setzte Maßstäbe für den Tonfilm.